Meißner Tageblatt vom 04. Mai 2000

Erinnerung an einen Wehrturm
Französische Donjons auf der Albrechtsburg


Von Kl. Harder

Der Donjon der französischen Burgen entspricht in etwa dem Bergfried bekannter Burgen in Deutschland, heißt es in einer Mitteilung der Meißner Albrechtsburg. Dort öffnet am 11. Mai eine weitere Ausstellung zur Burgenspezifik. In deren Zentrum stehen "Franzosische Donjons, Wohn- und Wehrtürme des Mittelalters". Mehr noch als in Deutschland waren diese Türme in Frankreich Macht- und Statussymbole, zusätzlich dienten sie jedoch auch als die Wohnstätte des Feudalherren.
Mittelpunkt der von der Gesellschaft für Internationale Burgenkunde Aachen erarbeiteten Ausstellung ist ein Modell der mittelalterlichen Burganlage von Coucy in Nordfrankreich. Das Modell wird von etwa 2.500 handbemalten Figuren bevölkert, die die Verteidiger der Burg sowie deren Angreifer darstellen. Im Jahre t339 wurde Coucy von den Engländern belagert. Während vor der Burg auf dem Schlachtfeld

der Kampf tobt, englische Söldner mit Seilen und Leitern die hohen Mauern zu er klimmen versuchen und Verletzte wegtransportiert werden, geht im Innern der Burg das ganz normale Leben weiter. Man kann Einblick nehmen in den höfischen Alltag der Adelsleute, in die Arbeit der Handwerke und der einfachen Leute, die Leben in der adligen Wohn- und Wehranlage garantierten.
Der Wohnturm von Coucy wurde zwischen 1226 und 1229 errichtet. Er war größer als alle Donjons des Königs, und da auch die den Hauptturm umgebenden Flankentürme größer waren als die königlichen; bedeutete die Anlage von Coucy zugleich eine politische Herausforderung. Einzelheiten dazu werden auf 52 Schautafeln detailreich erläutert.
Das 6 x 6 Meter große Modell ist ein authentischer Nachbau der historischen Anlage im Maßstab 1 : 25. Besonders bemerkenswert ist der Einblick in den runden Wohnturm mit dem 12-eckigen Innenraum, der auf drei Etagen gewährt

wird. Der Turm war 54,75 Meter hoch, sein Durchmesser betrug 30,20 Meter. Im Original maß die Stärke der Mauern bis zu 7,50 Meter. Zu keiner Zeit konnte die mittelalterliche Burganlage von Angreifern erobert werden, und deshalb war sie bis 1917 auch ein völlig intaktes Zeugnis französischer Baukunst des Mittelalters. Im I. Weltkrieg wurde die Anlage von deutschen Truppen mit 27 Tonnen Dynamit weggesprengt. Sie war bei der Frontverlegung im Wege.
So ist dei authentische Nachbau durch den Aachener Verein auch Teil des Bemühens, den Belastungen einer bitteren Vergangenheit zu begegnen und ein neues Verhältnis zu unseren Nachbarn zu gestalten. Es bleibt zu wünschen, dass das auch hiesige Gäste so empfinden. Die Ausstellung wird bis 2. Juli, täglich von 10 bis 18 Uhr, gezeigt.