Eupen
Frankreich ist übersät mit wehrhaften Wohntürmen, die ihren Besitzern
einst Schutz
vor feindlichen Überfällen boten und in friedlichen Zeiten ein mehr oder
weniger komfortables Leben erlaubten. In einem
Vortag, zu dem der Eupener Geschichts- und Museumsverein (EGMV) eingeladen
hatte, stellte der Erste Vorsitzende der Aachener Gesellschaft für
Internationale Burgenkunde, Bernhard Siepen, die Formenvielfalt
französischer Donjons vor und weckte mit den Lichtbildern, die er zur
Illustration seines Referats auf drei Leinwänden zeigte, bei seinen
Zuhörern die Lust, auf eine Entdeckungsreise kreuz und quer durch
Frankreich zu gehen.
Dauerhafte Wohnstätte
Der Donjon, der Hauptturm der französischen Burgen, war
gleichzeitig Macht- und Statussymbol. Im Verteidigungsfall war er eine
unabhängige Wehranlage, diente als Kommandozentrale und oft letzte
Zuflucht, für die Bewohner der Burg. Vom in Deutschland üblichen
Bergfried, der in erster Linie ein Wachturm war, unterscheidet er sich
durch seine Konzeption als dauerhafte Wohnstätte des Feudalherren. (Einige
Donjons sind bis auf den heutigen Tag ununterbrochen bewohnt.)
Frühe aus Holz konstruierte Donjons entstanden am Ende des
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9. Jh. im Flachland auf Erdmotten, umgeben von einem mit
Palisaden bestückten Wall oft auch von einem Wassergraben.
Auf dem Teppich von Bayeux, der 1077 entstand, ist der Holzdonjon von
Dinan in der Bretagne abgebildet. Der erste erhaltene steinerne Wohnturm
ist der Donjon von Langlais, um 994 errichtet vom Grafen von Anjou. Wie
ihre hölzernen Vorgänger hatten die frühen romanischen Donjons einen viereckigen
Grundriss.
Der Donjon von Falaise, einer der größten im Norden Frankreichs, hat eine
Grundfläche von 600 Quadratmetern. Die Durchschnittshöhe der romanischen
Donjons beträgt 25 bis 30 Meter, der 1030 errichtete wehrhafte Wohnturm
von Loches ragt 37 Meter hoch auf.
Die Viereckform wurde am Ende des 12. Jh. durch den Runddonjon
abgelöst. Der älteste seiner Art ist der Donjon von Fretéval (um 1100).
Der Runddonjon bot eine bessere Übersicht, die Angreifer konnten sich
nicht in einem toten Winkel nähern und die runden Mauern hatten eine
höhere Widerstandskraft gegen Rammböcke.
Sonderformen
Die Runddonjons wurden immer größer und höher. Der Baron Enguerrand
III. von Coucy errichtete von 1223 bis 1225 eine gewaltige
Verteidigungsanlage in der Picardie mit dem mächtigsten je in Frankreich
gebauten Runddonjon. Das gewaltige Bauwerk hatte eine |
Höhe von 54 und einen Durchmesser von 31 Metern.
Die Mauerstärke betrug bis zu sieben Meter. Der Donjon wurde am 27. März
1917 von deutschen Truppen in Zuge einer Frontverlegung mit 28 Tonnen
Dynamit in die Luft gesprengt. (Ein Nachbau dieses mittelalterlichen
Wolkenkratzers ist noch bis zum 23. März im Treppenhaus
des ATC am Eupener Werthplatz zu sehen.)
Aus
dem Runddonjon entwickelte sich der kleeblattförmige Wohnturm,
viereckige Donjons wurden mit Halbrundtürmen versehen.
Als Sonderformen stellte Bernhard Siepen Donjons mit drei-, fünf oder
achteckigen Grundrissen vor. Seltener waren zwölf- oder gar
sechszehneckige Grundrisse. Einen mandelförmigen Donjon hat das Ehepaar
Siepen - auch Iris Siepen ist vom Donjonvirus befallen, der ihren Mann
seit 1984 umtreibt - in Coudray-Salbart ausfindig gemacht. Ein
Oval bildet der Donjon von Lys-Saint-Georges.
Um den
Einfluss Frankreichs auf den Burgenbau in England zu dokumentieren, zeigte
der Referent auch einige Donjons von den Britischen Inseln, wo besonders
die Normannen ihre Spuren hinterlassen haben.
Zu Beginn seines Vortrags hatte Bernhard Siepen seinen Zuhöreren anhand
von Karten einen Überblick über die Geschichte Frankreichs vom 10. bis zum
15. Jh. präsentiert, damit diese die Entstehung der Donjons und ihre
Bedeutung für die Ausdehnung der Domäne des Königs einordnen konnten. |