Aachener Zeitung vom 12. März 1998

Wolkenkratzer des Mittelalters“
Ausstellung "Französische Donjons" der Gesellschaft für Burgenkunde


Aachen. Ein Burgfräulein und ein Wachmann in langem Gewande, ausgerüstet mit einer Lanze, stehen neben einem Kontoauszugsdrucker. Sie lauschen aufmerksam dem Klampfenklängen und Flötenspiel der Spielleutgruppe „A La Via“. Zur Ausstellungseröffnung „Französische Donjons“ zog für eine Weile mittelalterliche Stimmung in das moderne Ambiente der Sparkassen-Zentrale am Münsterplatz ein. „Die Vergangenheit hat uns eingeholt,“ bemerkte Hans Kauhsen, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Aachen, in seiner Begrüßung der zahlreichen Gäste treffend. Auf etwa 50 Schautafeln mit Fotos, Bauzeichnungen, Texten und Karten zeigt die Anfang 1996 gegründete „Gesellschaft für Internationale Burgenkunde Aachen“ (GIB e.V.) in der Kundenhalle des Geldinstituts eine Auswahl von 30 Donjons, mittelalterlichen Wohn- und Wehrtürmen des 11. bis 15. Jahrhunderts in Frankreich.
Anziehungspunkt  und   „Prachtstück“   der

Präsentation ist zweifellos ein monumentales Modell des Donjon von Coucy, das von annähernd 2.500 handbemalten Figuren belebt wird. Mit großem Engagement und vielen Helfern, insbesondere den Schülerinnen und Schülern der Klasse 7a des Einhard-Gymnasiums, hat der Aachener Architekt Bernhard Siepen, Initiator der Ausstellung, in den letzten sechs Monaten das Modell und die übrigen Exponate geschaffen. Bernhard Siepen sei es gelungen, so Kauhsen, viele Menschen für die „Wolkenkratzer des Mittelalters“ zu gewinnen.
Dr. Hans Stercken, langjähriger Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und Vorsitzender der GIB e.V., ging zunächst auf eine grundlegende Intention der Burgenkundler ein: „Es ist eine wichtige Sache, zu wissen, wie die Menschen im Mittelalter gelebt haben, um zu wissen, wie wir in Zukunft leben wollen.“
Die Burg Coucy wurde 1917, ein damals noch intaktes Zeugnis der französischen

Baukunst des  Mittelalters, von  deutschen Truppen auf ihrem Rückzug gesprengt. So sieht Dr. Stercken in der aktuellen Ausstellung einen besonderen Stellenwert für das deutsch-französische Verhältnis. Dieses Engagement solle auch in Frankreich zur Kenntnis genommen werden. Für Aachener Ausstellungen nicht gerade selbstverständlich und deshalb umso erfreulicher wirken die dreisprachigen - in französisch, englisch und deutsch gehaltenen Beschreibungen.
In den nächsten drei Jahren, so kündigte Bernhard Siepen an, werde die Ausstellung auch in Frankreich und England gezeigt. Bis zum 27. März 1998 sind die „Französischen Donjons“ in der Sparkasse am Münsterplatz 7-9 zu besichtigen.
Desweiteren finden im Rahmen eines , „Burgenforums“ im S-Forum der Sparkasse Vorträge zum Thema statt: Mittwoch, 18. März 1998, 19 Uhr, Bernhard Siepen über die „Formenvielfalt Französischer Donjons“, Donnerstag, 26. März 1998, 19 Uhr, Dipl.-lng. Heinrich Blumenthal über „Mittelalterliche Hebezeuge“. (dih)

Zwischen Arbeitswelt und Kampfgetümmel: Die Ausstellung „Französische Donjons“ GIB e.V.t Einblick in das mittelalterliche Leben.                                                                                     Foto: Schmitter